Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 245/19) klargestellt, unter welchen Bedingungen Urlaubsansprüche bei anhaltender Arbeitsunfähigkeit verfallen. Im Falle eines schwerbehinderten Klägers, der von Dezember 2014 bis August 2019 krankheitsbedingt nicht arbeiten konnte, entschied das Gericht, dass sein Resturlaub aus 2014 nicht verfallen sei, da sein Arbeitgeber seine Pflicht zur Mitwirkung an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub verletzt habe.

Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BAG verfallen Urlaubsansprüche grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den noch nicht genommenen Urlaub aufmerksam gemacht hat, ihn aufgefordert hat, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitgeteilt hat, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt.

Bei anhaltender Arbeitsunfähigkeit verfallen die Urlaubsansprüche nach bisheriger Rechtsauffassung des BAG “ohne weiteres mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres („15-Monats-Frist“)”. Das BAG hat seine Rechtsprechung jedoch weiterentwickelt: Wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres ununterbrochen bis zum 31.03. des Folgejahres arbeitsunfähig ist, verfallen die Urlaubsansprüche mit Ablauf der 15-Monatsfrist zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hingewiesen hat. Hat der Arbeitnehmer in dem Urlaubsjahr noch gearbeitet, bevor er krank wurde, verfallen die Urlaubsansprüche aus diesem Jahr nur dann, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist.

Die Berechnung des Urlaubsanspruchs ist auch im Falle einer Kündigung wichtig, da der Urlaub gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten ist, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung können vom Gesetz abweichende Vereinbarungen getroffen werden, die jedoch nicht dazu führen dürfen, dass der gesetzliche Mindesturlaub gekürzt wird. Die Höhe des Urlaubsanspruchs muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden.

Link:

Verfall von Urlaubsansprüchen bei längerer Erkrankung – Urteil BAG vom 20.12.2022 (anwalt.de)